Kongolesische Juristin hofft auf die Konzernverantwortungsinitiative

KVI: Chance für eine gerechtere Wirtschaft

01.11.2020

Sœur Nathalie Kangaji ist Rechtsanwältin in der kongolesischen Minenstadt Kolwezi und leitet die juristische Beratungsstelle des «Centre d’aide juridico-judiciaire», einer Partnerorganisation der Fastenaktion und HEKS. Sie hat für uns den folgenden Text geschrieben.

Die Demokratische Republik Kongo (DRK) birgt eine Vielzahl natürlicher Ressourcen und strategisch wichtiger Mineralien, dazu gehören insbesondere Kupfer und Kobalt.

Kobalt wird für die Herstellung von wiederaufladbaren Batterien für Smartphones und Elektrofahrzeuge benötigt und ist daher heute der begehrteste Rohstoff der Welt. Deshalb sind die Kupfer- und Kobaltminen und ihre Aktivitäten zu unentbehrlichen Pfeilern der Wirtschaft geworden.

Die Region Lualaba ist in Bezug auf den Bergbau für die DRK äusserst wichtig. Dies zeigt sich auch an den bedeutenden Kupfer- und Kobaltminen in dieser Region. In der Tat verfügt sie über fast die Hälfte der weltweiten Kobaltreserven. Paradoxerweise steht der unermessliche Reichtum dieser Minen im Gegensatz zur extremen Armut der lokalen Bevölkerung, die von den Bergbauaktivitäten kaum profitiert. Man müsste sich also fragen, wie die Einnahmen aus der Kobaltgewinnung für eine echte Entwicklung dieser Provinz und speziell der umliegenden Gemeinden genutzt werden könnten. 

In dieser Provinz Lualaba liegt auch Kolwezi, einer der Orte mit den grössten Kobaltvorkommen der Welt. Es ist kein Zufall, dass sich Mutanda Mining und Kamoto Copper Company, zwei Tochtergesellschaften von Glencore, hier niedergelassen haben. Die Minenaktivitäten folgen dabei der wirtschaftlichen Logik, dies oft zum Nachteil der lokalen Bevölkerung. Denn der Bergbau bedeutet immer Risiken für Umwelt und Gesundheit der Bevölkerung.

Gefährliche Minenaktivitäten

Tatsächlich zahlen die direkt betroffenen lokalen Gemeinschaften einen hohen Preis. Sie leiden unter Wasser-, Luft- und Bodenverschmutzungen – sowie deren Folgen für die Gesundheit. Hinzu kommen weitere Vorfälle, die die Menschenrechte verletzen. Oder der Unfall eines Lastwagens, der im Auftrag einer der Tochterfirmen von Glencore Säure transportierte. Er kippte auf der Strasse nach Kolwezi in der Nähe des Dorfes Kabwe, was im Februar 2019 zahlreiche Schwerverletzte und 21 Todesopfer forderte.

Angesichts dieser gravierenden Auswirkungen auf die umliegenden Gemeinden und die Umwelt, stellt sich die wichtige Frage der Haftung der Konzerne. Das kongolesische Recht sieht zwar vor, dass Minenbetreiber die durch sie verursachten Schäden ersetzen müssen, in der Realität sieht es leider anders aus. Denn in der Praxis verhalten sich multinationale Konzerne wie Herrscher.

So wird im Fall eines Unfalles oft jegliche Sorgfalt missachtet. Bei sichtbaren Schäden, zum Beispiel durch von Giftmüll verunreinigtes Wasser, kontaminierte Böden, geschädigte Ernten oder wenn gar Menschenleben betroffen sind, verlangen die Minen zuerst wissenschaftliche Beweise. Danach reden die Bergbaukonzerne die Fakten klein oder leugnen sie ganz und verweigern jegliche Wiedergutmachung. Noch komplizierter wird das Problem, wenn die Auswirkungen unsichtbar oder latent sind.

Gesetze greifen nicht

Die Wiedergutmachung durch eine gütliche Einigung, wie sie im kongolesischen Bergbaugesetz vorgesehen ist, erweist sich, angesichts des Widerstands der multinationalen Konzerne, für die Opfer oft als schwierig. Als einzige Möglichkeit bleibt der juristische Weg, um Druck auszuüben.

Wir haben noch kein starkes Rechtssystem. Das Land kämpft nach wie vor für eine faire und unabhängige Justiz. Unser Justizsystem leidet noch an weiteren Übeln, dazu gehört Korruption. Daher ist ein faires Gerichtsverfahren gegen multinationale Konzerne schwierig.

Aus diesem Grund unterstütze ich die Konzernverantwortungsinitiative voll und ganz und lade alle Schweizerinnen und Schweizer guten Willens ein, dafür zu stimmen. Die Initiative gibt den Opfern die Möglichkeit, ihre Klage in der Schweiz einzureichen. Dadurch erhalten sie die Chance auf eine faire Wiedergutmachung für erlittene Schäden.

Bedenken Sie, dass die wirtschaftliche Macht der multinationalen Konzerne in einem Land mit einer schwachen Justiz grosses Gewicht hat. Sie kann dazu benutzt werden, das Recht zu instrumentalisieren. Deshalb stellt sich unser Justizsystem oft in den Dienst der Stärksten, der Vermögenden.

Chance für Prävention und Justiz

In Bergbaugebieten bereiten die Folgen für die Gesundheit der Bevölkerung grosse Sorgen. Es ist empörend festzustellen, dass einzig wirtschaftliche Interessen zählen – auf Kosten von Menschenleben. Keine Behörde und kein Konzern übernimmt die Verantwortung und beachtet den Zustand der Umwelt und noch weniger den Gesundheitszustand der von den Minenaktivitäten direkt betroffenen Bevölkerung.

Wenn nicht rechtzeitig verantwortungsvolle Präventionsmassnahmen ergriffen werden, wirken sich die Minenaktivitäten negativ auf die Gesundheit der Bevölkerung aus. Die Initiative wäre solch eine Massnahme, damit Glencore seine Tochterunternehmen Mutanda Mining und Kamoto Copper Company aufgrund seiner Sorgfaltspflicht in Bezug auf die Einhaltung der Menschenrechte und den Schutz der Umwelt überwacht. So gesehen ist die Konzernverantwortungsinitiative eine Präventionsmassnahme im Bereich der öffentlichen Gesundheit zugunsten der Menschen im globalen Süden, die von diesen Aktivitäten betroffen sind.

Die Konzernverantwortungsinitiative wird die Entstehung einer effizienten und fairen Justiz für alle ermöglichen. Dies, weil die Schweiz zu den Ländern gehört, die in Menschenrechtsfragen sehr weit fortgeschritten sind, und weil die Menschenrechtsinstitutionen dort ihren Sitz haben. Zudem könnte allen Parteien zugesichert werden, dass das Recht auf einen fairen Prozess garantiert ist.  

 

Soeur Nathalie live 2018

Im Schatten des Kobaltbooms

Lesen Sie dazu auch unseren Webreport „Im Schatten des Kobaltbooms“

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