Die Synode läuft seit Anfang Oktober. Gibt es schon erste Ergebnisse?
Abgeschlossen ist noch nichts. Aber es kommen alle Themen auf den Tisch, auch die heiklen. Da dürfen sie aber nicht liegenbleiben! Am Ende formulieren wir zu allem möglichst klare Empfehlungen zuhanden des Papstes, mit Vorschlägen, was eingeführt oder erarbeitet werden soll, inklusive Prioritätenliste und zeitlichem Fahrplan. Diese Empfehlungen geben ihm und den Gläubigen weltweit auch ein Stimmungsbild der Versammlung. Etwa dass der Zugang von Frauen zum Diakonat in allen Teilen der Welt auf Zustimmung stösst, dass es aber auch andere Sichtweisen gibt.
Wie kommen die Bischöfe damit klar, dass erstmals auch Frauen und verheiratete Männer mitdiskutieren? Nehmen sie euch ernst?
Die grosse Mehrheit schon. Es gibt Einzelne, die sich offensichtlich schwertun. Klar ist: Dass Frauen und nichtgeweihte Männer mitreden und -entscheiden dürfen, ist historisch und ein grosser Kulturwandel. Einige, die schon bei vielen Synoden dabei waren, sagten mir, es herrsche eine ganz andere Stimmung als sonst. Ich denke, dass die Mitsprache von Laien künftig zum Standard wird.
Du vertrittst wie Fastenaktion und die Schweizer Kirche eine fortschrittliche Vision für die katholische Welt. Wird die auch von Vertreter:innen anderer Kontinente unterstützt?
Mein Kompass ist der Schweizer Bericht zur Synode, der drei Dinge fordert: eine Dezentralisierung der Weltkirche, den Zugang von Frauen zu allen Weiheämtern sowie eine Kirche, die niemanden diskriminiert. Die Dezentralisierung und Gleichberechtigung der Frauen wird auch aus anderen Weltregionen breit unterstützt. Selbst für die Nichtdiskriminierung von LGBTQ+-Personen gibt es Zuspruch, etwa aus Asien oder Südafrika. Aber bei dem Thema gibt es auch starke Opposition.
«Wir müssen nach innen umsetzen, was wir nach aussen fordern.»
Durch deine Arbeit bei Fastenaktion bist du im globalen Süden gut vernetzt: Wie nimmst du dort die Stimmung gegenüber der Kirche wahr? Könnte ein progressiver Wandel unser Engagement erleichtern?
Sehr, nur schon weil es die Glaubwürdigkeit unserer Forderungen enorm erhöhen würde. So hat zum Beispiel der frühere philippinische Präsident Duterte Menschenrechtsmahnungen der Kirche mit der Bemerkung abgeblockt, diese solle doch erst mal selbst die Menschenrechte einhalten, bevor sie sich bei anderen beklage. Wir müssen nach innen umsetzen, was wir nach aussen fordern. Im Übrigen nehme ich bei den Delegierten aus Lateinamerika und Asien eine grosse Wandelstimmung innerhalb der Kirche wahr. Die Menschen möchten, dass es vorwärts geht.
Wie fühlt es sich an, plötzlich in diesem klerikalen Machtzentrum mitreden zu können?
Einerseits ist es toll, weil es historisch ist und eine echte Chance für einen Wandel in die richtige Richtung. Andererseits ist das Setting schon nicht immer angenehm. Wir sind so wenige Frauen und oft breit verteilt über die Arbeitsgruppen. Ich sass also auch schon allein mit einer Gruppe konservativer Bischöfe da, das ist dann nicht so toll. Wir Frauen kommen zwischendurch auch immer wieder zusammen, um uns zu stärken. Und ja, das alles braucht Geduld, viel Geduld.
Helena Jeppesen-Spuhler (57) arbeitet seit 2001 bei Fastenaktion und betreut aktuell unter anderem das Landesprogramm Philippinen. Sie vertritt Fastenaktion zudem in mehreren kirchlichen Gremien im Rahmen ihrer Stelle «Pflege Netzwerk Kirche Schweiz». Helena ist eine von 80 Laien, die dieses Jahr erstmals an einer Weltsynode der katholischen Kirche teilnehmen dürfen. Das Gremium hat beratende Funktion; welche Reformen wirklich kommen, entscheidet allein Papst Franziskus, nach der nächsten Synode im Herbst 2024. Helena vertritt in Rom zwar nicht Fastenaktion, wurde aber auch deshalb in die Synode berufen, weil sie viel Erfahrung mitbringt aus ihrem weltweiten Einsatz für Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung.