Fastenaktion plant, seine Partnerorganisationen in den 14 Ländern weiter im gleichen Umfang unterstützen, damit sie nicht gezwungen sind, Mitarbeitende zu entlassen und sie ihre Arbeit den Umständen anpassen können.
Noch während der Ökumenischen Kampagne verliess Mercia Andrews von der Fastenaktion-Partnerorganisation Rural Women Assembly (RWA) die Schweiz. Die Mehrheit ihrer Auftritte war abgesagt worden, gleichzeitig sorgte sie sich, was sie zu Hause erwarten würde.
Kein Geld für Lebensmittelvorräte
Am Flughafen Johannesburg wurde ihr, wie allen anderen Ankommenden, die Temperatur gemessen. «Ich ging sofort zum Arzt und wollte mich testen lassen. Doch da ich keine Symptome hatte, wurde ich nicht getestet, es mangelte an Testkits. Während der folgenden 14 Tagen musste ich mich an die staatlichen Vorschriften zur Selbstisolierung halten.»
In dieser Zeit bereitete Südafrika den Lockdown vor. Am 23. März trat die Ausgangssperre in Kraft, ein totales Flugverbot wurde verhängt. Über die daraus entstehenden Folgen ist Andrews sehr besorgt: «Seit mehr als drei Wochen leben wir nun mit einem der striktesten Lockdowns überhaupt. Wir stehen deshalb vor vielen Herausforderungen. Während die Mittelschicht Lebensmittel horten kann, mussten arme Menschen warten, bis zu ihrem Zahltag oder bis zum Tag der Auszahlung der Sozialhilfeleistungen oder Renten, um überhaupt etwas einkaufen zu können.»
Wasser – keine Selbstverständlichkeit
In vielen Gebieten haben die Menschen keinen Zugang zu Wasser, um sich regelmässig die Hände waschen zu können. Und in den überfüllten Häusern und in den Townships ist eine Selbstisolierung unmöglich. Oft leben da bis zu zehn Menschen auf engstem Raum. «Deswegen nehmen viele die Ausgangssperre nicht ernst, Polizei und Armee greifen dann aufs Brutalste durch. Viele Menschen haben zudem keinen Zugang zu Radio, Fernsehen und Internet und verfügen nur über beschränkte Informationen über Art und Umfang der von der Epidemie ausgehenden Bedrohung.»
Gleichzeitig beobachtet Mercia Andrews Erstaunliches. Denn die Regierung steht unter Druck. «Tabus von gestern werden auf einmal gebrochen. Die Sparmassnahmen, die zu einem gefährlichen Abbau der Gesundheitsdienste geführt haben, treffen uns jetzt mit voller Härte. Plötzlich ist Finanzminister Tito Mboweni dafür offen, Geld auszugeben, das er gemäss seinen Aussagen vorher nicht hatte.»
Auf einmal scheint es auch möglich, dass in Townships und informellen Siedlungen den Menschen Land zur Verfügung gestellt wird, obwohl sie vor kurzem noch verhaftet wurden, wenn sie aus purer Not Land besetzten. Pflegepersonal und Gesundheitsarbeiter/innen in den Gemeinden, die im Allgemeinen ein Schattendasein fristen, werden jetzt als unverzichtbar anerkannt.
Frauen leiden besonders
Viele Regierungen in den Ländern des südlichen Afrika, in denen Gruppen des Rural Woman Assembly aktiv sind, befolgen die südafrikanische Strategie und haben ebenfalls einen Lockdown verhängt.
Wie Mercia Andrews berichtet, kritisieren viele der Mitglieder die militarisierte, von oben nach unten durchgesetzte Abriegelung. «Ich bin in grosser Sorge und fürchte den Gedanken an eine sich ausbreitende Epidemie in der Region, denn durch die vorangegangenen Sparmassnahmen sind unsere Gesundheitsinfrastrukturen sehr zerbrechlich. Als Bäuerinnenorganisation konzentrieren wir uns auf die Bewusstseinsbildung. Wir richten interne Kommunikationssysteme ein, um auch Frauen in abgelegenen Regionen erreichen zu können. Für diese sind die Schliessung der lokalen Märkte und des informellen Sektors ein grosses Problem, das sich unmittelbar auf ihr Einkommen auswirkt. Die Polizei weist zudem bereits auf eine deutliche Zunahme von geschlechtsspezifischer Gewalt hin.»
Bereits zwei Wochen nach Beginn der Ausgangssperren berichtete Polizeiminister Bheki Cele, dass 87’000 Menschen die Polizei gerufen hätten, weil sie häusliche Gewalt in ihrem Haus vermuteten. Wie viele Personen in diesem Zusammenhang verhaftet wurden, konnte er nicht sagen.
Zusammen mit den anderen Fastenaktion-Partnerorganisationen in Südafrika, hat Mercia Andrews mittlerweile die C-19 Peoples Coalition gegründet. Sie haben sich zum Ziel gesetzt, möglichst viele Menschen über Covid-19 zu informieren, damit die richtigen Massnahmen ergriffen werden und die Ausbreitung des Coronavirus in Südafrika gestoppt werden kann.
Am 22. April waren die Zahlen noch vergleichsweise tief:
Südafrika | Schweiz | |
Angesteckte Personen | 3’159 | 27’740 |
Todesfälle | 54 | 1’393 |
Durchgeführte Tests | 114’711 | 221’263 |
Bevölkerung total 2018 | 57.8 Millionen | 8.5 Millionen |
Update 1. Mai 2020
Inzwischen sind es in Südafrika 103 Todesfälle (Schweiz: / 1737) und 5647 (Schweiz: / 29,705) bestätigte Ansteckungen. Die Regierung von Cyril Ramaphosa plant, die Ausgangssperre ab 1. Mai vorsichtig zu lockern.
Mehr Informationen
- Mehr über die Arbeit des Rural Women Assembly erfahren Sie hier in Form von Videos, Fotos, Ton und Text.
- Vor Ihrer Abreise aus der Schweiz besuchte Mercia Andrews den Schweizer Bauern Jules Rampini im Napfgebiet – sehen Sie dazu das Video «Auch wir sind Saatgut» (6.5 min)
- In Kurzform finden Sie das Projekt des Rural Women Assembly auch hier: Vom Acker zur Politbühne – Bäuerinnen im subsaharischen Afrika