
Sushila B. K. ist Mitglied einer Dalit-Solidaritätsgruppe in der Region Dolpa.
17 der 28 Schülerinnen und Schüler an der Bhawani Basic School in der westnepalesischen Region Dolpa sind Dalits. Sie sind mit vielfältigen Diskriminierungen konfrontiert, obwohl Dalits etwa 13 Prozent der Bevölkerung Nepals ausmachen.
«Unsere Kinder erzählten uns immer wieder von ihren Erfahrungen in der Schule», sagt Sushila B. K. (35), Landwirtin, Mutter und Mitglied der Dalit-Solidaritätsgruppe Batabaran Krishi Samuha. «Sie wurden von Nicht-Dalit-Lehrpersonen häufig ignoriert. Zum Beispiel kontrollierten sie ihre Hausaufgaben nicht. Dafür bestraften sie sie härter als die anderen, wenn sie mal etwas zu Hause vergassen.»
Besonders stark äussert sich die Diskriminierung rund um Essen und Trinken. «So liessen sich zwei Nicht-Dalit-Lehrerinnen, wenn sie durstig waren, immer Wasser von ihren Nicht-Dalit-Schüler:innen bringen statt den für solche Dinge zuständigen Dalit-Schulangestellten zu fragen.» Und die Schüler:innen, die das Wasser holten, mussten darauf achten, dabei ja nicht aus Versehen eine ihrer Dalit-Kolleg:innen zu berühren. «Sonst tranken die Lehrerinnen das Wasser nicht.» Generell weigerten sich die Nicht-Dalits, Mahlzeiten oder Getränke zu konsumieren, die der Dalit-Schulangestellte berührt hatte.
Hintergrund der Dalit-Diskriminierung
Das jahrhundertalte Kastensystem in Nepal basiert auf dem Hinduismus, der eine Einteilung der Menschen in soziale Klassen vornimmt, so genannte Kasten. Die Dalits umfassen über 20 einzelne niedrige Kasten und gelten traditionell als unrein und somit als “unberührbar”. Für die anderen, höheren Kasten gelten deshalb auch Nahrungsmittel oder Getränke als unrein, die von ihnen berührt werden.

Maan Prasad Kami arbeitet an der Bhawani Basic School und freut sich über mehr Verantwortung.
Drohung mit einer Anzeige wirkte
So zumindest war es bis im Herbst 2023. Dann intervenierte die Solidaritätsgruppe bei der Schule. «Das Gesetz ist nämlich auf unserer Seite», erklärt Sushila B.K. Die Gruppe machte die Schulleitung darauf aufmerksam, dass das Verhalten der Nicht-Dalits gegen geltendes Recht verstösst und drohte mit einer Anzeige. «Natürlich war die rechtliche Situation allen bereits bekannt, aber es brauchte unsere Drohung, um eine Verhaltensänderung zu erreichen.»
Danach erweiterten sich die Aufgaben des Dalit-Schulangestellten Maan Prasad Kami (40): «Heute koche und serviere ich das Mittagessen für alle Lehrer:innen und Schüler:innen, mache Tee und Kaffee für Gäste und Lehrpersonen, kümmere mich wie bisher um das Schulmaterial und putze die Klassenzimmer.» Zuvor hatte es mittags nur ungesunden Fast Food gegeben wie Instant-Nudeln oder Kekse. «Ich bin sehr glücklich über die grössere Verantwortung und dass die Kinder nun etwas Gesünderes zu essen bekommen.»
Rückschlag wegen Schamane
So assen ab Oktober 2023 mittags alle gemeinsam in der Schulkantine, was Maan Prasad Kami zubereitete. Etwa fünf Monate lang lief alles gut. «Danach jedoch nahmen weniger und weniger am Mittagessen teil», erzählt Sushila B. K. Denn ein Nicht-Dalit-Kind hatte einen Ausschlag in der Mundgegend bekommen, worauf die Eltern mit ihm zum Dorf-Schamanen gingen. «Er wies sie an, dass ihr Kind nichts essen oder trinken dürfe, dass von Menschen aus tieferen Kasten berührt wurde.» Dies verbreitete sich rasch in der Schule. Heute essen nur noch drei von elf Nicht-Dalit-Kindern Kamis Mittagsmahlzeiten. Dabei entwickelte sich der Ausschlag wohl aufgrund von gesundheitlichen Problemen.
«Einige positive Veränderungen jedoch sind geblieben», sagt Sushila B.K. «So sitzen die Kinder heute alle zusammen in den gleichen Bänken im Klassenzimmer, nicht mehr getrennt wie früher.» Und auch Maan Prasad Kami hat trotz des Rückschlags Hoffnung geschöpft. «Ich hätte nicht gedacht, dass sich die Diskriminierung für uns Dalits je ändern würde. Aber sie hat nun tatsächlich abgenommen, und ich bin zuversichtlich, dass wir diesen Kampf gewinnen können und sich das Verhalten an der Schule weiter bessern wird.» Umso mehr als er auch an einer anderen Schule positive Veränderungen in der Kantine gesehen hat.

Umakanta Bhusal ist der Projektleiter von CAED, der lokalen Partnerorganisation von Fastenaktion.
Zwei Schritte vorwärts, einer zurück
Sushila B.K. wiederum fühlt sich in ihrer Meinung bestätigt, dass die Intervention der Gruppe lediglich das Verhalten der Nicht-Dalits an der Schule verändert hat, nicht jedoch ihre Einstellung. «Und auch das nur wegen unserer rechtlichen Drohung. Hinzu kommt, dass sie Angst haben vor der Reaktion anderer Nicht-Dalits.» Eine Lehrerin wurde von ihrem Vermieter gewarnt, sie müsse sich eine andere Wohnung suchen, wenn sie an der Schule weiterhin Mahlzeiten esse, die ein Dalit zubereitet habe.
Dass es im Kampf gegen Diskriminierung immer wieder Rückschritte gebe, sei nicht ungewöhnlich, sagt Umakanta Bhusal, der lokale Projektleiter von CAED, einer Partnerorganisation von Fastenaktion in Nepal. «Oft sind es zwei Schritte vorwärts und einer zurück – aber auch das bringt uns langsam vorwärts. Den Hauptgrund für den Rückschlag an der Bhawani Basic School sieht er in der Haltung der Nicht-Dalit-Eltern. «Sie setzten ihre Kinder und die Lehrpersonen unter Druck. Letztlich wollen die Nicht-Dalits ihre privilegierte Rolle so lange wie möglich behalten.»