Die Menschheit sieht sich derzeit mit mehreren grossen Herausforderungen konfrontiert: Vermag sie den Klimawandel abzufedern? Wie geht sie mit den immer knapper werdenden Ressourcen um? Und was passiert, wenn das Erdöl, auf dem Landwirtschaft und Wirtschaft aufbauen, zur Neige geht?
«Der ökologische Wandel ist absolut notwendig. Das zeigen zahlreiche unbestreitbare Fakten ebenso wie der Zustand unserer Ökosysteme, der immer alarmierender wird», erklärt Christian Arnsperger, Wirtschaftsprofessor an der Universität Lausanne, in seinem soeben erschienenen Buch «Das Zeitalter der Transition». Dass Arnsperger für den dringend nötigen Wandel hin zu einer nachhaltigen Lebensweise den Begriff Transition verwendet, ist kein Zufall. Denn «Transition» steht seit 2006 für eine Initiative, die vom britischen Dozenten und Umweltaktivisten Rob Hopkins lanciert wurde. Sie ist die Antwort auf die Folgen von Peak Oil und Klimaerwärmung.
Bis heute umfasst die «Transition Towns»-Bewegung über 2000 Initiativen in 50 Ländern, auch in der Schweiz. Sie vereint Städte, Quartiere und Dörfer, die darauf hinarbeiten, dem ökologischen und sozialen Zusammenbruch zu widerstehen. Ziel ist eine postfossile Gesellschaft, die die ökologischen Grenzen, globale Gerechtigkeit und die Rechte künftiger Generationen achtet.
Salatbeet neben der Fabrikruine
Ein berühmtes Beispiel für diesen kreativen Widerstand (auch «Resilienz» genannt) ist Detroit in den USA. Mit der Krise der Automobilindustrie brach die Industriestadt buchstäblich in sich zusammen und verlor mehr als die Hälfte der Bevölkerung. Doch ein Teil der Verbleibenden nutzte den Untergang kreativ: Heute liegen zwischen Häuserruinen und Industriebrachen riesige Gemüsegärten, laufen Programme zu gesunder Ernährung, zu Bildung und Wiederaufforstung. Ebenso wichtig wie Gemüse und Bäume ist die Schaffung eines neuen und lebendigen Gemeinschaftsgefüges, das es der Bevölkerung erlaubt – die meisten arm und viele afroamerikanischer Herkunft – ihr Schicksal selber in die Hand zu nehmen.
Lokal, gemeinschaftlich, positiv
Detroit ist exemplarisch für unzählige Initiativen, die den Keim der «Gesellschaft von Morgen» in sich tragen und derzeit rund um den Globus entstehen. Im Norden wie im Süden, wo sich etwa Partnerorganisationen der Fastenaktion und HEKS dafür engagieren, dass die lokale, bäuerliche Landwirtschaft wieder gestärkt wird, die Hoheit über das Saatgut wieder in die Hände der Bäuerinnen und Bauern gelangt und sich die Menschen über lokale Spargruppen gegenseitig unterstützen.
Wie vielfältig diese Initiativen sind, hat der Film Demain (‹Morgen›) gezeigt, der über eine Million Zuschauerinnen und Zuschauer in die Kinos zog: Sie reichen vom Aufbau lokaler Ernährungssysteme über die Förderung erneuerbarer Energien oder Lokalwährungen bis hin zu neuen Bildungssystemen, in denen Menschen und nicht Wissen im Zentrum stehen. Auch in der Schweiz entstehen zahlreiche Transitions-Initiativen wie beispielsweise die Lokalwährung Monnaie Léman, das Projekt Urban Agriculture Basel oder der Warenaustausch-Raum auf dem Campus der Uni Lausanne.
Trotz ihrer grossen Vielfalt basieren all diese Initiativen auf den gleichen Grundsätzen: Sie sind lokal verankert, weil dies die Ebene ist, auf der Menschen ihrer Lebenswirklichkeit angepasste Lösungen schaffen können. Sie sind partizipativ und arbeiten von unten nach oben, da jeder Mensch die Möglichkeit haben soll, mitzuentscheiden und zu handeln. Sie sind solidarisch und verbinden alle Akteure, die auf der Suche nach Sinn und Veränderung sind. Und sie sind geleitet vom Willen, «für» und nicht nur «gegen» etwas zu kämpfen, denn «Widerstand leisten heisst Neues schaffen».
Innerer Wandel als wichtige Voraussetzung
In diesem positiven Ansatz liegt die grosse Stärke der Transitions-Bewegung. Denn er schafft Hoffnung und weckt in vielen Menschen rund um den Globus den Wunsch, sich zu engagieren für gesunde Beziehungen zu Mitmenschen und Umwelt. Damit die Transitions-Bewegung ihr grosses Potenzial entfalten kann, muss es ihr gelingen, die zahlreichen Initiativen zu bündeln und Synergien zu schaffen. Und sie braucht die Anerkennung und Unterstützung der öffentlichen Hand.
Eine zentrale und grundlegende Voraussetzung für den Wandel ist die innere, spirituelle Transition. Denn ohne inneren Wandel kann auch der äussere Wandel nicht nachhaltig sein. Es braucht eine Abkehr vom heutigen konsumorientierten Wertesystem, von Ohnmacht und Entmutigung, die in unserer Gesellschaft so verbreitetet sind, vom Egoismus und von den Machtkämpfen, welche die besten Initiativen untergraben können. Dazu gehört, der Natur mit Respekt zu begegnen und sie nicht länger als Ressourcenlager zu betrachten, sondern als lebendes System, von dem wir abhängig sind. Und dazu gehört auch, eine «glücklichen Genügsamkeit» als Lebensstil zu etablieren, indem man sich über einen inneren Prozess seiner wirklichen Bedürfnisse bewusst wird. — Michel Egger