Reportage aus Brasilien

Erneuerbare Energie ist nicht immer nachhaltig

17.12.2017

Seit Jahrhunderten leben die Manoki entlang der Flussläufe in den Savannen Zentral-Brasiliens, dem sogenannten Cerrado, und betreiben Fischfang. Das Wasserkraftwerk, das dort gebaut wurde, hat für sie absolut keinen Nutzen – im Gegenteil: Es vermindert ihre Lebensqualität und gefährdet ihre Ernährungssouveränität.

 

Ausserhalb der Kleinstadt Sapezal liegt das indigene Territorium der Manoki. Auf der Fahrt dahin führt die schnurgerade Strasse durch fast endlose Monokulturen. Völlig unerwartet taucht nach mehrstündiger Fahrt ein Waldstück auf der einen Strassenseite auf. Ein Schild weist darauf hin, dass es sich um das geschützte indigene Gebiet der Manoki handelt. Doch ein Wasserkraftwerk hat deren Leben dramatisch verändert – im Fluss, in welchem sie Fischfang betrieben haben, hat es keine Fische mehr.

«Im Dorf empfängt uns Jorge Caiuby*. Er trägt ein Hemd, in der Hand hält er ein Smartphone. Einen Widerspruch, sich der modernen Welt zu öffnen und gleichzeitig die traditionelle Kultur zu erhalten, sieht er darin nicht. Im Gegenteil:

 

«Nur, wenn wir einen Umgang mit der Aussenwelt finden, können wir langfristig überleben. Wir erwarten aber auch von der Aussenwelt, dass sie unsere Kultur und unsere Lebensweise akzeptiert».

 

Seit Jahrhunderten leben die Manoki entlang der Flussläufe in den Savannen Zentral-Brasiliens, dem sogenannten Cerrado, und betreiben Fischfang. Das artenreiche Gebiet erstreckt sich über eine Fläche von rund zwei Millionen Quadratkilometern und macht einen Viertel der Fläche Brasiliens aus. Es herrscht ein halbtrockenes Klima mit zwei deutlich getrennten Jahreszeiten. Während der Regenperiode von Oktober bis April (Sommer) fällt ein Grossteil der jährlichen Niederschlagsmenge von 1100 bis 2000 mm. Von Mai bis September dagegen ist Trockenzeit. Die mittlere Jahrestemperatur liegt zwischen 20 ° und 26 °Celsius.

 

Das Gebiet ist eine der wichtigsten Wasserressourcen Südamerikas. Seit einigen Jahren werden die Wälder jedoch kontinuierlich abgeholzt. Auf den freigewordenen Flächen werden Monokulturen angelegt. Zuckerrohr zur Energiegewinnung und Sojabohnen, um den globalen Hunger nach tierischen Futtermitteln zu stillen. Die Abholzung der Wälder setzt riesige Mengen an gebundenem CO2 frei.

Es kam noch schlimmer

 

Jorge Caiuby erzählt von einem Wasserkraftprojekt am Rio Cravari, dem Fluss, der das Gebiet der Manoki durchquert. Da für die Stauseen grosse Flächen des Waldes überflutet werden, wird CO2 freigesetzt, das zuvor als Kohlenstoff in der Biomasse des Waldes gespeichert war. Der Bau eines Stausees trägt somit direkt zum Klimawandel bei, obwohl er zu deren Bekämpfung beitragen soll.

 

Vor fast zehn Jahren begannen die Bauarbeiten für den Staudamm. Doch erst als die Bauarbeiten bereits weit fortgeschritten waren, kamen die Investoren ins Dorf und suchten das Gespräch mit der betroffenen Dorfgemeinschaft. Zu diesem Zeitpunkt war es allerdings zu spät, um noch auf ihre Bedürfnisse einzugehen. Unverständlich für die seit Generationen als Fischer an den Ufern des Flusses lebenden Menschen. Trotzdem zeigten die Manoki Gesprächsbereitschaft – auch im Wissen darum, dass es die einzige Möglichkeit war, zumindest minimale Verbesserungen für das eigene Volk zu erzielen.

 

Dazu gehörte etwa  die Vereinbarung, dass ein Teil der Einnahmen aus dem Stromverkauf der Gemeinschaft zu Gute kommen soll, zum Beispiel durch den Bau einer Fischtreppe. Gleichzeitig sollte es keine weiteren Infrastruktur-Projekte in ihren Territorien mehr geben. Doch diese Vereinbarungen scheinen die Investoren vergessen zu haben: Denn derzeit wird über weitere Wasserkraftprojekte diskutiert. Jorge Caiuby erzählt aufgebracht, dass seine Leute nicht mehr bereit sind zu verhandeln. Sie haben das Vertrauen verloren, dass Vereinbarungen eingehalten werden. «Natürlich sind auch wir auf Energie angewiesen», sagt der Präsident der Manoki. «Zum Kochen, für elektrisches Licht und für Internet und Computer in den Klassenzimmern.

 

Diese Energie würden wir aber lieber selber durch kleine dezentrale Solaranlagen produzieren, unabhängig vom staatlichen Netz und von grossen Investoren.» Für den Strom, den sie heute beziehen, bezahlen sie den Marktpreis – wie alle anderen auch. Das Wasserkraftwerk hat für sie absolut keinen Nutzen – im Gegenteil: Es vermindert ihre Lebensqualität und gefährdet ihre Ernährungssouveränität.

Von den Wasserprojekten im Gebiet Matto Grosso sind unzählige Indigene betroffen - so nicht nur die Manoki, sondern, ganz in der Nähe, die Rikbaktsa.
Nicht über den Kopf der lokalen Bevölkerung hinweg

 

Jorge Caiuby sagt klipp und klar, was der Staudamm für die Manoki bedeutet: «Die im Namen des Klimaschutzes geförderte Produktion erneuerbarer Energien ist eine Gefahr für unsere Gemeinschaft. Gerade weil unsere Bedürfnisse nicht berücksichtigt werden.»

 

Die unter dem Deckmantel der Klimapolitik gemachte Investitionen in die Produktion erneuerbarer Energien haben zu oft negative Auswirkungen sowohl aufs Klima als auch auf lokale Gemeinschaften. Klimaschutz bedeutet: die Rechte der indigenen Gemeinschaften zu stärken, damit sie langfristig ihre Lebensweise erhalten und eigene Zukunftsperspektiven entwickeln können. Fastenaktion und HEKS unterstützen indigene Gemeinschaften und nutzen klimapolitische Debatten, um aufzuzeigen, dass der Schutz indigener Gemeinschaften notwendig ist, wenn die Klimaziele des Abkommens von Paris sowie die Entwicklungsziele der Agenda 2030 erreicht werden sollen. 

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