Menschenrechtspreis für Partnerorganisation der Fastenaktion

18.12.2018
Der Anwalt Danilo Chammas hat den Business and Human Rights Award für die Organisarion Justiça nos Trilhos entgegengenommen. Bild: Fastenaktion
Um die Rechte der traditionellen Bewohnerinnen und Bewohnern im Korridor Carajás in den Bundesstaaten Pará und Maranhão in Brasilien zu verteidigen, haben die Combonianischen Missionare zusammen mit anderen NGOs und pastoralen, sozialen und gewerkschaftlichen Bewegungen 2007, die Kampagne Justiça nos Trilhos ins Leben gerufen. Fastenaktion ist Partner der Organisation, die Gemeinschaften entlang der Eisenbahnlinie Carajás dabei unterstützt, dass ihre Rechte gewahrt werden. Für ihre Arbeit wurde ihnen der 2018 geschaffene Award for Business and Human Rights des gleichnamigen Ressource Centers verliehen. Der Anwalt Danilo Chammas, einer der Köpfe der Organisation, hat den Preis entgegengenommen.

 

Sie haben den Business and Human Rights Award gewonnen, herzliche Gratulation! Mit welcher Begründung wurde er Justiça nos Trilhos zugesprochen?

 

Begründet wurde es damit, dass wir sehr nahe an der Basis arbeiten und Methoden entwickeln, die es den Menschen erlauben, an den Entscheidungsprozessen auch wirklich teilzuhaben. Wir sind sehr stolz auf diesen Preis und teilen ihn mit den Menschen, mit denen wir arbeiten, und natürlich anderen Organisationen, die mit uns zusammenarbeiten. Es ist auch ein starkes Zeichen, dass eine brasilianische Organisation diesen Preis exakt zu diesem Zeitpunkt erhält.

 

Sie sprechen die Wahl des neuen Präsidenten Jair Bolsonaro an?

 

Ja, wir haben einen politischen Wechsel im Land und das bedeutet, dass es möglicherweise eine schwierige Zeit für all die werden wird, welche die Menschenrechte im Land verteidigen. Deshalb ist es umso wichtiger, dass die internationale Gemeinschaft realisiert, in welcher Situation wir sind. Und dass sie unsere Arbeit anerkennt, die Menschenrechte in dieser schwierigen Situation dennoch zu verteidigen. Gerade in der Amazonas-Region, in der wir tätig sind, gibt es verschiedene Gruppierungen, die das Gebiet immer weiter ausbeuten wollen.

 

Wie sieht Ihre Arbeit aus?

 

Im Corredor Carajás ist die Firma Vale SA* sehr aktiv. Es ist eins der grössten Eisenerzabbaugebiete der Welt und der Rohstoff wird in immer grösserem Umfang abgebaut. Das Eisenerz wird über eine 892 Kilometer lange Strecke zum Hafen transportiert, von dem es dann in alle Welt verschifft wird. Entlang der Eisenbahnstrecke leben viele traditionelle Gemeinschaften. Der Rohstoffabbau hat beträchtliche negative Auswirkungen auf sie und die Natur. Dadurch, dass der Rohstoff in immer grösseren Mengen abgebaut wird, werden mehr Züge eingesetzt, und die Spur soll gar verdoppelt werden. Gerade in den letzten zwei Woche wurden zwei junge Männer überfahren, der eine 15, der andere 23. Es ist schrecklich, umso mehr, da diese beiden in unserer Organisation aktiv waren.

 

Gibt es Brücken, die über die Schienen führen oder Unterführungen?

 

Ja, es gibt schon welche, aber bei weitem nicht genug. Ich nehme jedes Jahr im April in Rio an der Aktionärsversammlung von Vale teil und dort erzähle ich jeweils, wie die Situation für die Menschen ist, die entlang der Eisenbahnstrecke leben. Ich erzähle auch, dass diese Situation nicht gut ist fürs Renommee der Firma, dass Menschen sterben und dass es ganz allgemein nicht gut sei, wenn eine Firma dieser Grösse Regeln nicht einhalte und Menschenrechte verletzt.

 

Wie reagieren die Aktionäre jeweils darauf?

 

Gar nicht.

 

Und die Verantwortlichen von Vale?

 

Wir haben mehrfach versucht, mit den Verantwortlichen ins Gespräch zu kommen, um gemeinsam die anstehenden Probleme anzugehen. Aber die Firma lehnt es ab. Erstens anerkennen sie keine Schuld und zweitens übernehmen sie auch keine Verantwortung. Sie vertreten die Haltung, dass die Betroffenen selber schuld seien.

 

Wie ist es für Sie, zu sehen, dass Menschen unter so schwierigen Bedingungen leben müssen, unter Staub, Lärm und Luftverschmutzung leiden?

 

Es ist sehr frustrierend. Aber ich weiss auch, dass es viel Geduld braucht, dass es ein langer Prozess ist, um Verbesserungen zu erreichen.

 

Haben Sie diese Geduld in den letzten Jahren lernen müssen?

 

Ja. Aber wenn wir dranbleiben, wird sich etwas ändern. Wir arbeiten mittlerweile seit mehr als zehn Jahren, und wir sehen einen Wandel.

 

Es gibt also Hoffnung auf Veränderungen?

 

Die grösste Veränderung ist wahrscheinlich bei den Leuten passiert, mit denen wir arbeiten. Wir sehen, wie sie reagieren, sich verhalten, bei dem, was geschieht. Sie haben einen anderen Blick darauf. Sie können mittlerweile verstehen, welches ihre Rechte sind und wer für diese Situation verantwortlich ist. Und die Leute sind viel besser organisiert. Sie wissen, wie sie einen Zugang zu Institutionen finden. Und Menschen in Entscheidungsgremien wie Politiker und Pfarrer haben ihre Meinung geändert. Sie verstehen mittlerweile, dass hier ein Unrecht geschieht. Sie sind sensibilisiert, und dieses Verständnis wiederum gibt den Betroffenen Kraft. Es gibt auch einige konkrete Massnahmen, die zum Schutz der Betroffenen bereits unternommen wurden.

 

Ist Ihr Leben durch diese Arbeit in Gefahr?

 

Jeder, der sich hier für Menschenrechte einsetzt, ist irgendwie in Gefahr. Wir gehen gegen grosse Player vor, prangern Ungerechtigkeit an, das stört. Wir, aber auch andere Organisationen, die diese Arbeit machen, wurden vom Geheimdienst überwacht. Es wurde eine Abteilung gegründet, die nichts Anderes tut. Wir konnten uns nicht mehr frei bewegen. Wir haben das gewusst. Dabei machen wir eine völlig legale Arbeit. Es kommt immer darauf an, um welche Art Konflikt es sich handelt. Aber ich lebe in einem Land, in dem möglicherweise die meisten Morde an Umwelt- und Menschenrechtsaktivisten passieren.

 

War das auch schon vor der Wahl von Jair Bolsonaro so?

 

Ja, es wird jetzt einfach noch schlimmer werden. Er wird etwas fortsetzen, was schon früher begann. Während seinem Wahlkampf hat er das bereits angekündigt, und es sind ja Leute, die ihn gewählt haben, die diese Haltung teilen, Menschenrechte zu verletzen, Geheimdienste befürworten, die eine Militarisierung des Landes befürworten. Daraus entsteht mehr Gewalt, mehr Tote, mehr Opfer. Es ist auch eine Entwicklung gegen Toleranz, gegen Minderheiten. Wir sind auf dem Weg in eine schwierige Zeit.

*Die Firma Vale SA hat ihren Steuersitz in St-Prex (VD)

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