Im Mittelpunkt der Arbeit Fastenaktions und seiner Partner in Indien, Madagaskar und Senegal stehen Solidaritätsgruppen oder -kalebassen, die den Gegebenheiten der jeweiligen Länder angepasst sind. Gemeinsam ist ihnen, dass ihre Mitglieder fixe oder freiwillige Beträge in Form von Geld oder Grundnahrungsmittel in eine Kasse einzahlen. Davon können sie günstige oder gar zinslose Darlehen für Grundbedürfnisse oder in Notfällen aufnehmen wie für die Begleichung von Schulgebühren, Gesundheitsausgaben und den Kauf von Nahrungsmitteln. In den Solidaritätskassen stehen Solidarität und Absicherung statt Profit an erster Stelle. Fastenaktion finanziert jeweils Ausbildung und Begleitung der Gruppen, was durch lokale Animatorinnen geschieht. Da die Solidaritätskassen ausschliesslich durch Beiträge der Mitglieder alimentiert werden, können sie frei darüber verfügen und sind dementsprechend stolz darauf.
Nach mehr als 20 Jahren Arbeit mit diesen Solidaritätsgruppen liess nun Fastenaktion 2018 ihre Wirkung in Madagaskar und Senegal systematisch unter Verwendung stringenter wissenschaftlicher Methoden untersuchen. Zusammen mit lokalen Teams wurden pro Land 200 Mitglieder und 50 Nicht-Mitglieder befragt, also insgesamt 500 Personen. Zudem wurden Fokusgruppendiskussionen mit Solidaritätsgruppen und Personal von Partnerorganisationen durchgeführt. Für die Analysen wurde mit sogenannten Contribution Scores die Veränderungen vor Ort und was die Solidaritätsgruppen tatsächlich dazu beigetragen haben, denn Veränderungen können ja auch auf andere Faktoren zurückgeführt werden.
Die Studie konnte bestätigten, dass Fastenaktion mit dem Ansatz tatsächlich mehrheitlich die Ärmsten erreicht, was diesen Ansatz gegenüber anderen Initiativen wie Selbsthilfegruppen oder Mikrokredit abhebt. Die Mitglieder sehen die grösste Wirkung des Ansatzes bei der Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Lage. Eine klare Verbesserung des sozialen Zusammenhalts mit spürbar höherer Solidarität kann ebenfalls gemessen werden. Die Studie bestätigt ebenfalls, dass der verbesserte Zugang zu oftmals zinslosen Darlehen für die Deckung von Grundbedürfnissen und für Notlagen verwendet werden. Die Bedeutung von gemeinsamer Feldarbeit wird ebenfalls als sehr hilfreich hervorgehaben. Damit schaffen die SGs ein soziales Sicherheitsnetz, mit dem Schicksalsschläge oft aufgefangen werden können. Es wurde in Madagaskar auch klar, dass Gruppenmitglieder selbst mittlere Naturkatastrophen klar besser bewältigen können als ihre Nachbarn, die keine Mitglieder sind.
In Senegal erwiesen sich zudem Gruppeneinkäufe der Solidaritätskalebassen als besonders effektiv, während in Madagaskar die Förderung von Sparen und der Sicherung von Ersparnissen sowie Ausbildungen zu nachhaltigen Landwirtschaftstechniken von den Mitgliedern sehr geschätzt wurde.
Ebenfalls hervorgehoben wurde die Gleichbehandlung aller Mitglieder und das Vorhandensein eines Raumes für Austausch, was zu einer Verbesserung des psychosozialen Befindens beiträgt. Damit konnten die Solidaritätsgruppen zu einem Mentalitätswandel, höherem Selbstbewusstsein und persönlichem Empowerment beigetragen. Die Studie hob ebenfalls ein sehr gutes Kosten-Nutzen-Verhältnis hervor. In Madagaskar konnten mit weniger als 0.8 Million Franken über 150’000 Mitglieder begleitet werden.
Betreffend Geschlechtergerechtigkeit waren die Ergebnisse durchzogen: Die mehrheitlich weiblichen SG-Mitglieder in Senegal schätzten den ihren neugewonnen Handlungsspielraum ungemein. Andererseits bedeutete der Mangel an männlichen Mitgliedern, dass keine nachhaltige Verbesserung der Geschlechtergerechtigkeit erzielt wurde. In Madagaskar waren hingegen die meisten Gruppen gemischt, was zur Folge hatte, dass Männer allzu oft Führungspositionen beanspruchten.
Auch konnten die Gruppen nur teilweise Veränderungen auf politischer Ebene bewirken. In solch fragilen Kontexten ohne seriöses staatliches Gegenüber ist aber auch das Potenzial dafür beschränkt. Da die Gruppen begonnen haben, sich in Netzwerken zusammenzuschliessen (die nicht Teil der Studie waren), besteht hier dennoch noch Potenzial.
Abschliessend kann festgehalten werden, dass die Solidaritätsgruppen die Armut zwar nicht überwinden können, aber zu einer nachhaltigen Verbesserung der Lebensbedingungen vieler sehr bedürftigen Menschen beigetragen haben. Sie schaffen einen fruchtbaren Boden, auf dem später mehr gedeihen kann.
Wirkungsstudien von 2018/2019 zu Solidaritätsgruppen in Indien, Madagaskar und Senegal