
Romana Büchel und Philippa Mund sind für die Genderarbeit bei Fastenaktion verantwortlich.
Zuerst ein paar Fakten: Hunger und Armut haben im Globalen Süden in den letzten Jahren wieder zugenommen. Und 60 Prozent aller Hungernden sind weiblich, insbesondere in ländlichen Gebieten, wo Frauen für rund 70 Prozent der Nahrungsproduktion verantwortlich sind. «Dennoch hungern ausgerechnet sie. Weil sie sich oft als Letzte das Essen nehmen; vorher kommen die Männer und die Buben dran, dann die Mädchen – die Frauen essen, was übrigbleibt, meist das mit den wenigsten Nährstoffen», erklärt Romana Büchel. «Das ist fatal, denn Frauen brauchen viel Energie für die harte Feld- und Hausarbeit – und umso mehr während der Schwangerschaft und der Stillzeit.»
Viele Länder leiden zudem unter politischer Instabilität, Wirtschaftskrisen und der Klimaerwärmung – all dies trifft vielfach die Frauen als Erstes. Verschärfend kommt hinzu, dass die Landtitel für den Boden, den es für den Nahrungsmittelanbau braucht, meist auf den Namen der Männer eingetragen sind. Wenn ihnen etwas zustösst oder sie auswandern, um mehr Geld für ihre Familien zu verdienen, bleiben die Frauen ohne Landtitel zurück. «Und oft wird ihnen der Boden dann weggenommen», sagt Philippa Mund. «Hätten Frauen weltweit den gleichen Zugang zu Land wie Männer, könnte man die landwirtschaftliche Produktion erheblich steigern. Dass sie oft nicht lesen und schreiben können, erschwert ihre rechtliche Situation zusätzlich.»
Ohne Gendergerechtigkeit kein Recht auf Nahrung
Die Statistik zeigt: In Regionen, wo Frauen und Männer gleichberechtigter sind, ist die Ernährungslage besser. «Wenn man als Entwicklungsorganisation das Thema Gender nicht angeht, kann man gar nicht glaubwürdig zum Recht auf Nahrung arbeiten», betont Philippa Mund. Fastenaktion tut dies schon seit Jahren. «Wobei die eigentliche Arbeit durch unsere Koordinationen und Partnerorganisationen vor Ort geschieht. Wir geben dem Thema einfach den notwendigen Raum und motivieren dazu, einen Dialog zu führen, um Machtverhältnisse zu hinterfragen und aufzubrechen.»
Entscheidend ist auch, dass jedes Landesprogramm auf Basis der lokalen Situation und des vorhandenen Knowhows seine eigene, passende Strategie dazu entwickelt. Wie unterschiedlich diese sein können, zeigt der 22-minütige Dokumentarfilm sehr eindrücklich. «Wir begleiten das bestmöglich von hier aus, ermutigen auszuprobieren, machen auch klar, dass solche gesellschaftlichen Veränderungen nicht leicht sind, dass es ein langwieriger Prozess ist, dass auch Fehler passieren können», sagt Philippa Mund. «Aber Hauptsache man ist gemeinsam auf dem Weg.»
Auch die Männer profitieren
Romana Büchel betont zudem, dass Frauen und Männer gleichermassen von dieser Arbeit profitieren. «Auch Männer leiden darunter, dass sie in ihrer Rolle keine Gefühle und keine Schwäche zeigen sollen. Wir arbeiten in einigen Ländern gezielt mit Männergruppen, die ihre Geschlechterrolle hinterfragen. Letztlich geht es darum, die Menschenrechte und die Würde für alle zu verbessern.»
Entscheidend sei allerdings, dies alles indirekt anzugehen. «Mit unserer generellen Projektarbeit zum Recht auf Nahrung stärken wir bewusst auch Frauen. Und durch ihr erhöhtes Selbstbewusstsein kommen die Genderfragen dann ganz automatisch ins Spiel – das lässt sich unter anderem schön bei den Solidaritätsgruppen im Senegal oder der Bienenhaltung in Laos beobachten.»

Der Film macht auf eindrückliche Weise deutlich, wie unterschiedlich die Kontexte in Bezug auf Geschlechtergerechtigkeit sind.
Drei Länder mit unterschiedlichen Herangehensweisen
Dass im Film Guatemala, Burkina Faso und die Philippinen porträtiert werden, liegt daran, dass diese Landesprogramme Interesse hatten, die bisherigen Erfolge in dem Bereich aufzuarbeiten. In jedem der drei Länder wurde zusätzlich ein eigener, längerer Film produziert, der für die lokale Arbeit eingesetzt wird. «Wir hätten auch andere Länder nehmen können, denn es haben alle etwas Interessantes dazu zu sagen», sagt Romana Büchel.
Diese drei jedoch zeigten exemplarisch, wie unterschiedlich das Thema angegangen werden könne. «Aber auch wie unterschiedlich weit sie sind. Auf den Philippinen reden sie bereits über diverse Geschlechtsidentitäten, während in Burkina Faso ein Mann nach einem Workshop berichtet, er habe nun verstanden, dass eine Frau nicht weniger wert sei als ein Mann. Das alles soll Platz haben. Umso mehr als wir in der Schweiz punkto Geschlechtergerechtigkeit ja auch keine Musterschüler:innen sind – auch hier gibt es noch Luft nach oben.»
Fastenaktion leistet Pionierarbeit
Der Film zeigt aber auch, dass es einen langen Atem braucht, um etwas zu verändern. «Und diese Arbeit hängt enorm an einzelnen Personen, die diesen Durchhaltewillen haben, die sich exponieren und negative Reaktionen aushalten», sagt Philippa Mund. «Ohne diese Visionär:innen geht es nicht voran. Aber irgendwann wird es zur Selbstverständlichkeit, das zu thematisieren. Fastenaktion hat damit schon früher angefangen als andere Entwicklungsorganisationen – und ist heute auch weiter als die meisten anderen. Wir leisten sozusagen ein bisschen Pionierarbeit.»
Romana Büchel und Philippa Mund hoffen, mit dem Film der Öffentlichkeit zeigen zu können, was es bedeutet, in diesem Bereich zu arbeiten. Die Dokumentation möchte aber auch andere inspirieren: «Unsere Landesprogramme können damit voneinander lernen.» Nicht zuletzt will Fastenaktion mit dem Film auch einen Erfolg feiern, sagt Romana Büchel. «Wir zeigen, wieviel sich dank der gemeinsamen Arbeit in diesem Bereich bereits bewegt hat, auf das wir stolz sein können. Zum Beispiel sind in unseren Koordinationen und bei unseren Partnerorganisationen anders als früher inzwischen überall auch Frauen in Führungspositionen. Hartnäckigkeit und Durchhaltevermögen zahlen sich aus!»
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