
Mangelernährung hat vor allem für Kinder fatale Folgen. In unseren Projekten, wie zum Beispiel in Guatemala, steht deshalb der Anbau von ausreichend nährstoffreichen Lebensmitteln im Mittelpunkt.
Der Anteil der Fettleibigen (mit einem Body-Mass-Index über 30) hat sich seit 1990 verdoppelt, unter Heranwachsenden zwischen 5 und 19 Jahren sogar vervierfacht. Laut einer Studie der Weltgesundheitsorganisation WHO vom Frühling 2024 gibt es inzwischen mehr als eine Milliarde schwer Übergewichtige auf der Welt. «Vermehrt findet sich dieses Problem auch in den Ländern des Globalen Südens», sagt Tanja Barth-Jaeggi, Ernährungsexpertin und Epidemiologin am Schweizer Tropen- and Public Health Institut in Allschwil BL. Sie verweist auf eine aktuelle Studie aus Kenia und Ruanda, nach der die Hälfte der Frauen und etwa 15 Prozent der Männer aus städtischen Gebieten übergewichtig sind.
Mangel an nährstoffreicher Nahrung
Dabei machen die Länder im Süden sonst eher Schlagzeilen wegen Hunger und Mangelernährung. Doch auch das Übergewicht dort hat mit Mangel zu tun. «Viele haben keinen Zugang zu gesunder, nährstoffreicher Nahrung wie Früchte, Gemüse, Fleisch – oder sie haben nicht genug Geld, um sie sich zu leisten», sagt Barth-Jaeggi. «Oft fehlt ihnen schlicht auch das notwendige Wissen, welches Essen ihnen guttut und welches nicht.»
Zu einseitig – und gleich doppelt ungesund
Die Expertin spricht von «Fehlernährung», doch sei das Übergewicht im Globalen Süden gleich doppelt ungesund. «Nicht nur sind die Betroffenen mit den gleichen Zivilisationskrankheiten konfrontiert wie die Übergewichtigen in den wohlhabenden Ländern, sie leiden zusätzlich oft unter einem Mangel an Mikronährstoffen, weil sie sich zu einseitig ernähren und dies nicht so leicht mit Nahrungsergänzungsmitteln ausgleichen können wie wir hier.» Zudem droht ein Teufelskreis, denn die Kinder von fehlernährten Menschen sind oft ebenfalls fehlernährt.
84 Prozent der Bevölkerung südlich der Sahara kann sich keine ausgewogene Ernährung leisten, und sieben von zehn fettleibigen Kindern auf der Welt leben in Afrika und Asien. Insbesondere in ländlichen Gebieten essen viele Menschen nur stärkehaltige Grundnahrungsmittel wie Weizen, Reis oder Mais. Damit nehmen sie zwar viele Kalorien zu sich, aber zu wenig Nährstoffe wie Vitamine, Proteine, Jod oder Zink. Speziell verbreitet und schwerwiegend ist Eisenmangel. «Das kann man mit Fleisch beheben, aber auch durch grünes Blattgemüse, nur wissen das viele nicht.» Erschwerend kommen im Globalen Süden die weit verbreiteten Infektionskrankheiten hinzu. «Sie verstärken den Mangel an Nährstoffen, weil der Körper sie in diesem Zustand gar nicht aufnehmen kann.»

Agrarökologische Techniken sorgen für einen besseren Zugang zu frischen, nährstoffreichen Produkten.
Industrielle Fertigprodukte für den Süden
Verschärft wird das Problem durch einen globalen Wirtschaftstrend: Weil die Konsument:innen in der wohlhabenden Welt gesundheitsbewusster geworden sind, sucht sich die Lebensmittelindustrie neue Märkte für ihre Fertigprodukte und findet sie im Globalen Süden. Die einkommensschwachen Menschen dort sind in den letzten Jahren zu einer wichtigen Zielgruppe von Konzernen wie Nestlé oder Unilever geworden.
Doch deren Produkte haben meist einen hohen Anteil von Zucker oder Salz. Gleichzeitig werden sie aggressiv und verführerisch beworben, als gesund und als Weg zu einem besseren sozialen Status. Die Folge: Übergewicht und Diabetes nehmen nun auch im Süden zu – in Gesellschaften, die durch Armut und Mangelernährung ohnehin schon vorbelastet sind.
Wie können wir Gegensteuer geben? «Mit mehr Aufklärung und Bildung», sagt Tanja Barth-Jaeggi. «Ausserdem braucht es einen leichteren Zugang zu frischen, nährstoffreichen Produkten, etwa durch einen eigenen Garten auf dem Land oder durch gemeinsam bewirtschaftete Stadtgärten in den Metropolen.»
Bessere Hygiene und mehr Agrarökologie
Wichtig wäre zudem eine bessere Hygiene, um Infektionskrankheiten vorzubeugen. «Auch mit Nährstoffen angereicherte Lebensmittel wären eine Möglichkeit.» Entscheidend sei, die Landwirtschaft einzubeziehen. «Idealerweise werden die Lebensmittel von lokalen Bäuerinnen und Bauern produziert, die agrarökologisch geschult sind.»
Genau dies fördert Fastenaktion mit ihren Partnerorganisationen im Globalen Süden. Mit unserer Arbeit wollen wir nicht nur den Hunger beenden, wir stellen auch eine nährstoffreiche Ernährung sicher. Damit einkommensschwache Familien nicht mehr gezwungen sind, sich entweder ungesund zu ernähren oder sich zu verschulden. Und so Chancen auf eine bessere Zukunft haben.
Hunger frisst Zukunft
Die Kampagne «Hunger frisst Zukunft» macht in der Fastenzeit darauf aufmerksam: Hunger ist kein Schicksal, sondern von Menschen gemachtes Unrecht. Tatsächlich wird heute weltweit genug Nahrung produziert, um alle Menschen satt zu machen. Doch die Nahrungsmittel sind ungleich verteilt. Während die einen Lebensmittel wegwerfen, leiden andere unter Hunger und Mangelernährung – was die Zukunft ganzer Generationen gefährdet. Die Ökumenische Kampagne von Fastenaktion und HEKS zeigt Auswege auf, hin zu einer gerechteren Welt ohne Hunger.