Die «Erklärung für die Rechte von Kleinbäuerinnen, -bauern und anderen Menschen, die in ländlichen Regionen arbeiten» (UNDROP), die der Uno-Menschenrechtsrat 2018 verabschiedete, ist ein Meilenstein im Ringen um bessere Bedingungen in der kleinbäuerlichen Nahrungsmittelproduktion. Denn kleinbäuerliche Familien, Viehhalter:innen oder Fischer:innen spielen eine zentrale Rolle, um die weltweite Ernährungssicherheit zu gewährleisten. In vielen Ländern erhalten sie jedoch kaum Unterstützung. Dies soll sich nun ändern. Seit Herbst 2024 ist eine neue Gruppe von Expert:innen aktiv, die der Menschenrechtsrat ernannt hat. Ihre Aufgabe: Sicherstellen, dass den Worten auch wirklich Taten folgen.
Die grossen Hoffnungen der Kleinbäuerinnen in Südafrika
Norah Mlondobozi (64) und Wendy Tsotetsi (45) setzen grosse Hoffnungen auf die neue UNDROP Expert:innen-Gruppe. Die beiden Frauen betreiben kleinbäuerliche Landwirtschaft in Südafrika und sind mit zahlreichen Herausforderungen konfrontiert. «Nur schon der Zugang zu Land ist ein Problem», erklärt Norah. «Noch immer lehnen Landbesitzer es ab, Frauen Grundstücke zur Verfügung zu stellen, einfach wegen ihres Geschlechts.» Manchmal werde den lokalen Kleinbäuerinnen auch Land weggenommen zugunsten meist weisser kommerzieller Grossfarmer, die mehr Geld bieten können.
Ein weiteres grosses Problem ist der Zugang zu Wasser, was sich mit der Klimaerwärmung noch verschärft hat. «Es ist sehr heiss und trocken, die Regenfälle und Temperaturen werden immer unberechenbarer», sagt Wendy. «Und es gibt keine Hilfe seitens der Behörden, wenn Ernten deswegen zerstört werden oder ausfallen.»

Wendy Tsotetsi (45) bei einer Schulung zu Agrarökologie.
Bei der Regierung Druck machen
Zudem sind die Kleinbäuerinnen gezwungen, bestimmtes kommerzielles Saatgut zu verwenden, das sich nicht vermehren lässt und jedes Jahr neu gekauft werden muss. «So wird es immer schwieriger für uns, genug zu produzieren», sagt Norah. «Deshalb ist UNDROP so wichtig für uns. Südafrika hat die Erklärung zwar unterschrieben – aber seither ist nichts passiert. Die neue Expert:innengruppe muss die Regierung dazu bringen, dass sie die Prinzipien der Erklärung nun auch tatsächlich umsetzt.»
Beide Frauen sind bei der Rural Women’s Assembly engagiert, einer Partnerorganisation von Fastenaktion, welche international aktiv ist und die Interessen von Kleinbäuerinnen vertritt. «Wir sind viel besser über Herausforderungen und Lösungen informiert als die meisten Behörden.»
Zu diesen Lösungen gehören eine Reform der Land- und Saatgutrechte; ausserdem ein besserer Zugang zu den Märkten, die heute von internationalen Grosskonzernen dominiert werden. «Wir möchten, dass die Regierung uns fruchtbares Land zur Verfügung stellt und uns die Freiheit lässt, darauf nach agrarökologischen Prinzipien mit traditionellem Saatgut zu produzieren», sagt Wendy. «Hauptsache ist, dass unsere Stimmen gehört werden. Gerade Frauen werden noch immer zu wenig ernstgenommen.»
«Die Herausforderungen sind enorm»
Weltweit können sich Bäuerinnen, Bauern und ihre Unterstützer:innen aus der Zivilgesellschaft bei der neu gegründeten Gruppe melden, um auf missachtete Rechte hinzuweisen. Das fünfköpfige Gremium soll zudem den Erfahrungsaustausch und die Zusammenarbeit fördern, regelmässig Länder besuchen und generell Behörden und Zivilgesellschaft sensibilisieren.
Fastenaktion engagiert sich schon lange in diesem Bereich und hat sich sehr für die Bildung dieser Gruppe eingesetzt. Geleitet wird sie von der 66-jährigen Geneviève Savigny, die in den südfranzösischen Alpen selbst lange als Kleinbäuerin aktiv war. Seit Jahrzehnten kämpft sie für bessere Bedingungen ihres Berufsstands.

Geneviève Savigny ist seit 2013 beim Entstehungsprozess der UNDROP Gruppe involviert.
Geneviève Savigny, wie wurden Sie und die anderen Gruppenmitglieder ausgewählt?
Wir haben uns alle selbst für die Aufgabe beworben, im April 2024 stimmte der Uno-Menschenrechtsrat über die Kandidierenden ab. Wir kommen alle aus anderen Teilen der Welt und sind unabhängige Expert:innen in unterschiedlichen Bereichen, sei es nun Recht, internationale Beziehungen oder Landwirtschaft.
Mit welchen Problemen sind Kleinbäuerinnen konfrontiert?
Die Herausforderungen sind enorm: Klimaerwärmung, Verlust von Biodiversität, Konflikte um Land, etwa wenn Unternehmen lukrative Rohstoffe ausbeuten möchten. Ausserdem fehlt es an politischer Repräsentation und somit am Einbezug bei relevanten Entscheidungen. Nicht zuletzt erhalten kleinbäuerliche Familien oft keine angemessenen Preise für ihre Arbeit. Unser Ziel ist, ihre Position zu stärken und ihre Bedürfnisse aufzuzeigen.
Wie soll das passieren?
Wir verfassen jedes Jahr einen Bericht zuhanden der Uno. Wir tauschen uns mit den verschiedenen Ländern aus – und natürlich auch mit den Menschen selbst und mit Organisationen, die sich für sie einsetzen. Gleichzeitig können die Betroffenen sich jederzeit bei uns melden, wenn ihre Rechte missachtet werden, etwa über unsere Website. Wir können dann direkt bei den verantwortlichen Regierungen und Unternehmen intervenieren oder unterstützen die Kleinbäuerinnen dabei, ihren Fall vor Gericht zu bringen.
Von wem erwarten Sie am meisten Widerstand?
Von Grosskonzernen, die auf viel Land angewiesen sind oder eigenes Saatgut und Chemikalien verkaufen wollen. Kleinbauern streben in der Regel eine gewisse Autonomie an, was dem Geschäftsmodell der Agrarindustrie widerspricht. Aber diese Widerstände lassen sich überwinden: mit der Sensibilisierung von Regierungen und Unternehmen für gute landwirtschaftliche Praktiken und entsprechende Gesetze. Firmen sollen die Menschenrechte in allen Ländern respektieren, in denen sie tätig sind.
Wie wollen Sie diese Widerstände überwinden?
Mit der Sensibilisierung von Regierungen und Unternehmen für gute landwirtschaftliche Praktiken und entsprechende Gesetze. Sehr hilfreich wären dabei auch konkrete Regelungen für eine effektivere Konzernverantwortung. Damit Unternehmen die Menschenrechte in allen Ländern respektieren, in denen sie tätig sind.
Wann werden kleinbäuerliche Familien die Wirkung Ihrer Arbeit spüren?
Hoffentlich bald – wenigstens im Bereich der Sensibilisierung. Unsere Gruppe hat ein Mandat für zweimal drei Jahre. Bis 2030 haben wir bestimmt einiges erreicht.