
SP-Kantonsrat Marc Horat betreibt die Wasserpumpe, damit Melanie Marti von Madame Frigo die Giesskanne füllen kann. Soziologie-Professorin Nadine Arnold gibt Tipps.
Und schon wieder ist die Ente unglücklich! Lautstark quakt es aus dem Container auf dem Mühlenplatz in der Luzerner Altstadt, wo zwei Frauen und zwei Männer gerade hektisch Rätsel rund um Hunger und Ernährung zu lösen versuchen. Die kleine gelbe Gummiente, der es einmal mehr an Wasser fehlt, symbolisiert dabei den steten Wassermangel, mit dem viele kleinbäuerliche Gemeinschaften im Globalen Süden konfrontiert sind.
Bei den Spieler:innen des Escape Games löst das Quaken zusätzlichen Stress aus: Einer steigt hoch auf die Wasserpumpe und bringt das kostbare Nass zum Fliessen, eine andere fängt es in einer Giesskanne auf und transportiert es zu einem Rohrsystem, das zur Ente führt – der Nachschub beendet den erbosten Protest, und die zwei können sich wieder anderen Aufgaben zuwenden.
Hintergründe spielerisch erfahrbar machen
Die Idee, für den Welthungertag vom 16. Oktober ein Escape Game zu gestalten, stammt von der Allianz Sufosec. Darin engagieren sich verschiedene Entwicklungsorganisationen gemeinsam gegen Hunger und Armut, darunter auch Fastenaktion. Im Container lösen Gruppen von bis zu vier Personen unter Zeitdruck knifflige Rätsel, sortieren Saatgut und beantworten Fragen zu Landwirtschaft und Ernährung. So soll spielerisch erfahrbar werden, wie komplex die Ursachen der globalen Hungerkrise sind – und wo die Lösungen liegen.
«Probleme ganzheitlich angehen»
Während das Team im Container versucht, innert 25 Minuten quasi den Welthunger zu beenden, bleiben davor immer wieder neugierige Passant:innen stehen, schauen zu und stellen Fragen. Auch die Spieler:innen erfahren Neues. «Ich habe einiges gelernt über Mischkulturen in der Landwirtschaft. Und auch, dass es bei diversen Problemen mehrere Lösungsansätze gibt, die jedoch alle ihre Vor- und Nachteile haben», sagt Melanie Marti (34), Geschäftsleiterin von Madame Frigo, die sich mit ihrer Organisation darum bemüht, die Lebensmittelverschwendung in der Schweiz zu reduzieren.
Gleichzeitig hatte sie auch viel Spass am Spiel, ebenso wie ihr Teamkollege Tobias Käch (39), Luzerner Mitte-Kantonsrat und Berufsmaturitätslehrer aus Emmen. «Die Herausforderung sind weniger die Inhalte, als dass so viel gleichzeitig läuft und man wirklich zusammenarbeiten muss.» Ihm habe das Spiel vor allem einmal mehr eindrücklich demonstriert, dass alles miteinander zusammenhänge. «Man muss diese Probleme ganzheitlich betrachten und angehen.»
Einige Erkenntnisse gewonnen
Selbst Bernd Nilles, der Direktor von Fastenaktion, der sich mit den Themen im Container gut auskennt, findet das Escape Game nicht ganz leicht. «Bei den Mischkulturen hatte ich die Information übersehen, dass einige Gemüsesorten nicht nebeneinander angepflanzt werden dürfen und habe erst mal alles falsch sortiert.»
Im Laufe des freundlichen Herbstnachmittags versuchen sich in Luzern neun Teams in ganz unterschiedlicher Zusammensetzung am Spiel. Ein Trio Pensionierter aus dem Kanton Aargau schafft es mit etwas Hilfe der Moderatorin Barbara Schmid von Allianz Sufosec geradeso innerhalb der vorgegebenen Zeit und nimmt gleich mehrere Erkenntnisse aus dem Spiel mit: «Mischkulturen sind langfristig besser als Monokulturen. Patente auf Saatgut erschweren im Globalen Süden die Landwirtschaft. Wir sollten hier in der Schweiz bewusster saisonal und regional einkaufen und weniger Lebensmittel verschwenden.»

Der Escape-Game-Container auf dem Bundesplatz in Bern. (Bild: Keystone)
Tournee durch die Schweiz
Der Escape-Game-Container war diesen Herbst auch in drei anderen Städten im Einsatz. Auf dem Bundesplatz in Bern lockte er am 9. Oktober rund 150 Zuschauer:innen an. Vielleicht auch, weil zu den Spieler:innen gleich zwei Gruppen von Politiker:innen aus ganz unterschiedlichen Parteien gehörten. Dabei liess sich unter anderem beobachten, wie der Aargauer SVP-Nationalrat Alois Huber im Container einträchtig und konstruktiv mit der Berner Grünen-Nationalrätin Christine Badertscher zusammenarbeitete. Sie erzielten mit ihrem Vierer-Team am Ende sogar mehr Punkte als die zweite Polit-Gruppe mit SP- und Mitte-Vertreter:innen.
Wie in den vergangenen Jahren lancierte Fastenaktion zum Welthungertag eine eigene Kampagne. Zudem organisierten wir in Genf eine Filmvorführung und eine Diskussionsrunde darüber, wie ein neues Uno-Abkommen zu Rohstoffabbau und industrialisierter Landwirtschaft die ländliche Bevölkerung vor Hunger schützen kann. An der Diskussion nahm auch eine Ko-Koordinatorin des Rural Women Assembly teil, einer in Südafrika basierten Partnerorganisation von Fastenaktion.
Missstand endlich entschlossen angehen
All dies geschah mit dem Ziel, für die Ursachen und Hintergründe von Hunger zu sensibilisieren. Noch immer leidet fast ein Drittel der Weltbevölkerung unter Ernährungsunsicherheit, obwohl eigentlich genügend Nahrung für alle produziert wird. Doch diese Lebensmittel sind aufgrund von politischen und wirtschaftlichen Entscheiden nicht für alle zugänglich. Fastenaktion fordert, diesen Missstand endlich entschlossen anzugehen – etwa mit griffigeren Regulierungen für transnationale Unternehmen, der Respektierung von bäuerlichen Rechten und der Förderung von Agrarökologie.
Fastenaktion engagiert sich seit Jahren in all diesen Bereichen und unterstützt mit ihren lokalen Partnerorganisationen erfolgreich kleinbäuerliche Familien in zwölf Ländern des Globalen Südens. Unsere Arbeit zeigt: Hunger kann tatsächlich überwunden werden – wir müssen dies nur entschieden und mit den richtigen Methoden angehen. Und davon auch Politik und Gesellschaft überzeugen.
Erfahren Sie hier mehr über unsere wirkungsvolle Arbeit gegen den Hunger.