Eine Reise in Zeichnungen

«Ich möchte zeigen, wie vielschichtig der Senegal ist»

10.07.2024

Im Auftrag von Fastenaktion reiste die Kunststudentin Sofia Poku (24) im August 2023 drei Wochen durch den Senegal und hielt ihre Beobachtungen in Zeichnungen fest. Trotz Hitze und Magenproblemen hat sie viele positive Eindrücke von Land und Leuten mitgenommen. Klicken Sie auf «Eintreten», um die kreative Reise in den Senegal zu beginnen.

Eine Reise durch den Senegal in Zeichnungen
Kalebassen und Klimawandel
Eintreten
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Im folgenden Interview mit unserem Redaktor Ralf Kaminski beantwortet Sofia Poku die spannendsten Fragen rund um ihre Reise in den Senegal und die Hintergründe ihrer Arbeit.

Wie kam es zu dieser Kooperation mit Fastenaktion?

Durch Zufall. Im Juni 2022 waren die Zeichnungen meiner Bachelorarbeit zu Felsbildern in Marokko an meiner Hochschule ausgestellt, und Vreni Jean-Richard, die Programmverantwortliche für den Senegal, lief wegen einer Weiterbildung zufälligerweise daran vorbei. Ihr gefielen die Bilder, und sie kontaktierte mich und fragte, ob ich sowas auch für den Senegal machen könnte. Ich fand: Warum nicht?

Was genau war dein «Auftrag»?

Die Arbeit der Solidaritätskalebassen aufzuzeigen, ausserdem die Auswirkungen der Klimaerwärmung auf Land und Leute. Die Idee war, die Zeichnungen bei Anlässen hier in der Schweiz zu verwenden, um auf diese Weise Eindrücke vom Senegal zu vermitteln. Aber Vreni liess mir für die Arbeit alle Freiheiten.

Warst du schon mal im Senegal?

Nein, das war das erste Mal. Zwar habe ich selbst westafrikanische Wurzeln – mein Vater kommt aus Ghana –, aber ich hatte diese Region Afrikas zuvor noch nie besucht. Deshalb hat mich dieses Projekt auch so gereizt. Ich reiste allein, betreut von AgriBio, dem langjährigen Koordinationsbüro von Fastenaktion im Senegal. Und ich war schon ein bisschen nervös, weil ich dort ja überhaupt niemanden kannte.

Wie hast du das Land und seine Menschen erlebt?

Ich habe gestaunt, wie gesprächig und kontaktfreudig die Menschen sind. Das fing schon an, als ich nach der Ankunft am Flughafen darauf wartete, von AgriBio abgeholt zu werden. Da kam plötzlich ein Soldat auf mich zu. Und ich befürchtete schon irgendwas Schlimmes, aber er wollte nur plaudern – ohne weitere Hintergedanken. So war es auf der ganzen Reise. Wenn ich beim Frühstück im Hotel allein sass, setzte sich sofort jemand dazu und fing an zu reden. (lacht) Die Menschen sind sehr herzlich. Und es gehört zur Gastfreundschaft in islamischen Ländern, dass man immer gleich Tee und Essen angeboten bekommt.

Du hast also viel gegessen?

Oh ja! Das Essen ist deftig, und die Leute servieren ihren Gästen Portionen, die locker für drei reichen würden – zum Beispiel ein ganzes Poulet. Und sie sind sehr enttäuscht, wenn man dann nicht alles aufisst. «Il faut bien manger», haben sie immer gesagt. Das gehört zur Gastfreundschaft, und dafür wird notfalls auch das «letzte Hemd» gegeben. Bei mir führte das viele Essen allerdings auch zu vielen Magenproblemen und Durchfall. Die hygienischen Verhältnisse sind halt schon sehr anders als in der Schweiz – und ich habe ohnehin einen empfindlichen Magen. Aber ich hatte eigentlich keine andere Wahl als trotzdem zu essen. (lacht) Irgendwann wurde es aber so schlimm, dass ich meinen Aufenthalt im Norden Senegals verkürzt habe und zurück in die Stadt Thiès in ein Hotel ging, um mich dort bei Klimaanlage und reduzierter Ernährung zu erholen. Ich hatte da etwa 40 Grad Fieber, also etwa gleich wie die Lufttemperatur. Im Süden war es nicht ganz so heiss, aber richtig gebessert hat sich meine Gesundheit erst in der Schweiz.

Im Norden hast du Projekte von Fastenaktion besucht?

Genau, ich verbrachte dort einige Tage bei einer grossen Gastfamilie, sah mich um, sammelte Eindrücke – begleitet und betreut vom senegalesischen Künstler Mahanta, der parallel zu mir ebenfalls Bilder malte.

Habt ihr euch ausgetauscht über eure Werke?

Schon ein bisschen, aber letztlich hat er seine Sachen gemacht und ich meine. Oft sind es die gleichen Themen, aber in einem anderen Stil und aus anderer Perspektive.

Sofia Poku gibt unserer senegalesischen Partnerorganisation AgriBio Services während ihrer Reise ein Interview.

Du hast Menschen, Tiere und Landschaften gezeichnet, ab und zu auch mal Leute mit Aussagen. Es hat auch viel Grün.

Ja, im August ist Regenzeit, aber es hat weniger geregnet als üblich, was eine Folge der Klimaerwärmung ist. Und man sieht auf den Zeichnungen, dass ich auch in sehr trockenen Regionen unterwegs war – je nördlicher, desto trockener und heisser. Wer kann, wäscht sich mehrmals am Tag, denn durch die Hitze schwitzt man extrem. In vielen Dörfern jedoch haben sie kein Wasser oder nur aus Ziehbrunnen.

Was war dein Eindruck von der Arbeit von Fastenaktion dort?

Ich habe einiges gesehen, die Landwirtschaft, die Solidaritätskalebassen, aber auch, wie gut die Partnerorganisationen ausgerüstet sind, um ihre Arbeit zu machen und deren Wirkung zu dokumentieren. Bei einem Kalebassen-Treffen versammelten sich ausschliesslich Frauen, sassen auf Stühlen um das Gefäss und redeten und redeten, begleitet von Animateur:innen. Mein Eindruck: Je lustiger es die Frauen haben, desto mehr zahlen sie in die Kasse ein. (lacht)

Und wie geht es den Menschen bei all dem?

Sie sind schon arm, aber die Arbeit von Fastenaktion bewirkt wirklich etwas. Auch deshalb, weil die Ansätze die Traditionen der Menschen berücksichtigen. Von den Frauen bei den Kalebassen habe ich einige Geschichten gehört, wie sie dank diesen finanziellen Mitteln Schwierigkeiten lösen konnten, die sonst ein Problem gewesen wären. Insbesondere können sie sich so eine gewisse Unabhängigkeit von ihren Männern verschaffen. Ich selbst habe trotz der Armut weder Obdachlose noch Bettler:innen gesehen, wohl auch weil es in der senegalesischen Kultur tief verankert ist, den Ärmsten zu helfen. Aber es hat überall wahnsinnig viel Abfall, ein Entsorgungssystem gibt es auch in den Städten nicht. Es riecht natürlich auch nicht besonders gut. Jemand sagte mir mal: «Armut stinkt» – und das hat wirklich was.

Das sieht man auf den Zeichnungen aber nie.

Stimmt, Abfall und Gerüche habe ich weggelassen, aber eigentlich gar nicht bewusst. Es ist mehr so passiert. Eigentlich wäre das ja noch wichtig, denn es ist eine Folge der Situation, in der die Menschen leben. Aber anderes hat bei mir schlicht mehr Eindruck hinterlassen.

Gab es neben den Magenproblemen andere schwierige Erlebnisse?

Die Armut führt dazu, dass viele mehr oder weniger diskret nach Unterstützung fragen. Selten auch mal direkt nach Geld, vor allem aber um Hilfe, irgendwie in die Schweiz zu kommen. Sie sehen das als einmalige Chance, mit jemandem direkt zu tun zu haben, der aus einem wohlhabenden Land kommt. Da entstanden schon ab und zu unangenehme Situationen, aber mir fällt es nicht schwer, solche Bitten freundlich zu verneinen und eine gewisse Distanz zu wahren. Vielleicht weil ich das von meinem Vater kenne, der seiner Familie in Ghana zwar hilft, aber auch regelmässig mehr Anfragen bekommt, als er erfüllen kann.

Wie und wo entstanden deine Zeichnungen?

Es gab Tage, an denen ich gar nicht gezeichnet habe, besonders im Norden, als ich gesundheitliche Probleme hatte. Es war mir dort auch zu heiss und manchmal etwas zu laut. So richtig losgelegt habe ich erst im letzten Teil im Hotel in der Stadt, aus dem Gedächtnis oder auf Basis meiner Fotos. Mehr als die Hälfte entstanden aber erst, als ich zurück in der Schweiz war. Die Eindrücke mussten sich erst etwas setzen.

Weshalb hast du manchmal in Farbe und manchmal schwarzweiss gezeichnet?

Die Bleistiftskizzen machte ich ganz am Anfang, als ich noch nicht so recht wusste, wie ich mit den Farben umgehen soll. Die farbigen Bilder entstanden mit Farb- und Filzstiften sowie Neocolor. Und die reinen Farbmuster digital am Computer.

Was soll das Publikum aus deinen Zeichnungen mitnehmen?

Dass der Senegal ein sehr lebendiges, pulsierendes, buntes Land ist, in dem es nicht einfach allen Leuten nur furchtbar geht. Auch dass die Menschen stolz sind auf ihre Kultur und ihre Traditionen. Ich möchte zeigen, wie vielschichtig und reich das Land ist. Senegal hat Potenzial! Da ist eine Basis, auf der man aufbauen kann.

Sofia Poku mit Mitgliedern unserer Partnerorganisation, die sich für eine nachhaltige Landwirtschaft einsetzt.

Zur Person

Sofia Poku (24) macht ein Masterstudium in Kunstvermittlung mit Vertiefung Kunstpädagogik an der Zürcher Hochschule der Künste in Zürich. Sie lebt in einer WG in Winterthur und bei ihren Eltern in Rebstein SG. Ihre berufliche Zukunft sieht Sofia entweder als Gymnasiallehrerin oder im sozialen Bereich.

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