Welthungertag

«Eigentlich gäbe es genügend Essen für alle Menschen»

16.10.2023

Christa Suter ist Expertin für Ernährungssysteme und kümmert sich bei Fastenaktion um das Landesprogramm in Kenia. Im Gespräch zum Welthungertag erklärt sie, weshalb so viele Menschen unter Hunger leiden und welche Ansätze trotz allem Hoffnung schaffen. 

Jeder zehnte Mensch auf der Welt hat nicht genug zu essen. Weshalb sind es noch immer so viele? 

In jeder Region gibt es unterschiedliche Gründe für Hunger. Die klimatischen Veränderungen wirken sich jedoch weltweit auf die Landwirtschaft aus und vermindern die Erträge. Hinzu kommen häufig politische und wirtschaftliche Faktoren: Wer hat Zugang zu ausreichend gesunder Nahrung? Und wer kann sich welche Nahrung leisten? Vielerorts ist das Preisniveau für Getreide und andere Nahrungsmittel geradezu explodiert, weil auch die Benzin- und Energiekosten steigen. Die Inflation in den Projektländern von Fastenaktion ist um einiges höher als in der Schweiz. Wer schon in extremer Armut lebt, kann sich diese Preise schlicht nicht leisten. 

«Die Hungersituation in vielen Ländern gibt weiterhin Anlass zu grosser Sorge»

Immerhin hungern knapp 100 Millionen Menschen weniger als im vergangenen Jahr, rund 700 Millionen insgesamt. Zeichnet sich also eine Verbesserung der Situation ab? 

Nur unwesentlich, die Lage ist immer noch höchst dramatisch. Während der Hunger seit dem Jahr 2000 schrittweise zurück ging, erleben wir seit 2015, dass die Fortschritte stagnieren, respektive sich der Hunger während der Corona-Pandemie nochmals verschärft hat. Erfolge gibt es punktuell, aber die Hungersituation in vielen Ländern gibt weiterhin Anlass zu grosser Sorge. Denn hinter jedem Menschen steht ein persönliches Schicksal. Und Hunger wirkt sich ein Leben lang aus, besonders die Entwicklung von Kindern wird beeinträchtigt. Aber auch Frauen sind stark betroffen: Sie sind es häufig, die verzichten, wenn das Essen nicht für die ganze Familie reicht.  

 

Hätten wir denn grundsätzlich genug Nahrung, um weltweit alle zu ernähren? 

Ja, eigentlich gäbe es genügend Essen für alle Menschen. Neben der grossen Menge Nahrungsmittel, die weggeworfen werden, ist aber insbesondere die Verteilung ungerecht. Sowohl zwischen dem globalen Süden und Norden als auch in den Ländern selbst. Letztlich ist es eine moralisch-ethische Frage, ob wir als globale Gemeinschaft bereit sind, diesen ungerechten Zustand zu verändern oder nicht. 

Die kenianische Bäuerin Faith Wanjiru schneidet eine Frucht, die sie zuvor aus ihrem Garten geerntet hat. Der Welthunger kann durch agrarökologische Anbaumethoden gebremst werden.
Umso mehr Nahrungsmittel eigenhändig produziert werden, desto unabhängiger sind die Menschen von den hohen Marktpreisen.

Du bist auch für das Landesprogramm von Fastenaktion in Kenia verantwortlich. Wie ist dort die Lage? 

Im westlichen Kenia konnten die Bäuerinnen und Bauern ernten, jedoch folgte eine Trockenheit. In der zweiten Anbausaison hat es wieder geregnet. Allerdings waren die Niederschläge so heftig, dass es vielerorts Überschwemmungen gab. Die Menschen im Südosten des Landes warten hingegen immer noch auf Regen. Die Bäuerinnen und Bauern haben keine Bewässerungssysteme und sind der Dürre ausgeliefert. Gleichzeitig spitzt sich in Kenia die Not wegen der allgemeinen Teuerung zu.

«Ein wichtiger Ansatz ist, die Vernetzung unter den Bäuerinnen und Bauern zu fördern»

Was unternimmt Fastenaktion, um dem Hunger dort entgegenzuwirken? 

Wir befähigen Bäuerinnen und Bauern, unabhängig und eigenständig lokale Ernährungssysteme aufzubauen, die unter anderem gegenüber Dürren widerstandsfähiger sind. Der Fachbegriff dafür heisst Agrarökologie und umfasst eine lokal angepasste und umweltschonende Landwirtschaft. Ein wichtiger Ansatz ist, die Vernetzung unter den Bäuerinnen und Bauern zu fördern. Sie schliessen sich in Solidaritätsgruppen zusammen und bestärken sich so gegenseitig. Mittlerweile sind in den kenianischen Projekten von Fastenaktion 545 Solidaritätsgruppen mit knapp zehntausend Mitgliedern aktiv, drei Viertel davon Frauen. Sie können mit agrarökologischen Anbaumethoden ausreichend gesunde Nahrungsmittel für ihre Familien produzieren und ihre Widerstandskraft gegen Klimaveränderungen wie Dürren stärken.  

Die kenianische Bäuerin Faith Wanjiru ist einem Fastenaktion-Projekt aktiv. Klicken Sie hier, um in ihre multimedial erzählte Geschichte «Von der Dürre zur Ernte» einzutauchen.

Die kenianische Bäuerin Faith Wanjiru arbeitet auf ihrem Feld mit agrarökologischen Methoden. Dieser Ansatz ist zentral, um dem Welthunger entgegenzuwirken.
Dank agrarökologischer Anbaumethoden können trotz Dürre ausreichend gesunde Nahrungsmittel produziert werden.

Wir schaffen Hoffnung – helfen Sie uns dabei?

Unterstützen Sie unseren Einsatz für eine gerechte Welt ohne Hunger.

Diese Internetseite verwendet Cookies, um die Nutzererfahrung zu verbessern und den Benutzern bestimmte Dienste und Funktionen bereitzustellen. Es werden keine der so gesammelten Daten genutzt, um Sie zu identifizieren oder zu kontaktieren. Mehr erfahren