System Change, ein neudeutsches Wort, welches gerade vor allem dank der Klimastreikbewegung Hochkonjunktur erlebt, stand im Zentrum der Tagung an der Berner Fachhochschule in Zollikofen. Am Welternährungstag stand primär die Veränderung des Landwirtschaftssystems im Vordergrund. Eine Veränderung hin zu mehr Vielfalt, mehr gesunder Nahrung und weniger Umweltbelastung, hin zu agrarökologischen Anbaumethoden. Auf dem Podium vertreten war auch Fastenaktion durch Simon Degelo, dem Fachverantwortlichen für Agrarökologie.
System Change in der Landwirtschaft
«Sie machen es, weil es sich für sie lohnt. Wir müssen darum dafür sorgen, dass es sich in Zukunft nicht mehr lohnt!», war das klare Statement von Silva Lieberherr, von Brot für Alle, in ihrem mitreissenden Referat. Werden agrarökologische Abbaumethoden weiter verbreitet, wird es kaum mehr chemische Pestizide oder synthetische Düngermittel brauchen. Bei der Ernte kann Saatgut für die kommende Aussaat beiseitegelegt werden. Die Gesundheit der Nutztiere wird durch artgerechte Haltungsbedingungen und Fütterung verbessert. Vielfalt statt Einfalt steht im Vordergrund, was sich auch positiv auf die Ernährung der Menschen auswirken wird.
Auch im Hinblick auf die Klimabelastung brauche es definitiv einen Wandel und zwar nicht nur in der Landwirtschaft, sondern auch im Ernährungsverhalten, hob Prof. em. Dr. Hans Hurni, ehemaliger Professor für nachhaltige Ressourcennutzung an der Universität Bern, in seinem Referat hervor. Dies bedeutet in jedem Fall eine Reduktion des Konsums von tierischen Nahrungsmitteln, bei dessen Produktion hohe Klimagasemissionen entstehen. Politische Kohärenz ist gefordert, um die vorhandenen Lösungsansätze breit und effizient umzusetzen. «Es darf nicht mehr sein, dass sich Entscheide der Umwelt-, Agrar-, Aussen- oder Gesundheitspolitik zuwiderlaufen», unterstrich Prof. Dr. Urs Niggli, Direktor der Forschungsanstalt für biologischen Landbau (FiBL).
Simon Degelo von Fastenaktion beschrieb die Agrarökologie als eine Praxis, die Methoden anwendet, die im Einklang mit der Endlichkeit der Ressourcen sind, aber auch über die ökologische Dimension hinausgehen. «Es geht nicht nur um ökologische Anbaumethoden. Die Agrarökologie ist auch eine soziale Bewegung, welche sich weltweit für die Rechte der Bäuerinnen und Bauern einsetzt», hob er hervor und zeigte auf, wie die Agrarökologie in die Projekte von Fastenaktion einfliesst und wie die beteiligten Bäuerinnen und Bauern und ihre Familien davon profitieren. Wichtige Voraussetzungen für solche Erfolge sind die faire Verteilung des Bodens, der freie Zugang zu Wissen und Saatgut sowie eine Forschung, die den Menschen und der Umwelt anstatt den Profitinteressen von Grosskonzernen dient. Was das betrifft sind wir heute noch lange nicht dort, wo wir sein müssten, um den gewünschten System Change weltweit realisieren zu können.
«Die Agrarökologie ist ein sozialer und ökologischer Lernprozess. Es gibt noch keine gesetzlichen Standards wie im Biolandbau. Diese Offenheit sollte auch neue Technologien nicht ausschliessen, sondern viel mehr gut begleiten, dass sie in die richtige Richtung führen», erwähnte Prof. Dr. Urs Niggli. Dass es funktioniert, bestätigte die beeindruckende Präsentation von Aïssé Barry von Swissaid. Sie zeigte mit grosser Begeisterung wie agrarökologische Anbaumethoden in ihrem Heimatland Guinea-Bissau eine vielfältige Ernährung der kleinbäuerlichen Familien sicherstellen und sich dieses Wissen aufgrund des Erfolges schnell weiterverbreitet. Schmunzelnd ergänzte sie, dass ihr Land zum Glück zu klein sei, als dass es für die Agrar-Chemie-Industrie interessant sein könnte.
Im letzten Teil der Tagung wurden Gruppendiskussionen geführt, in denen es darum ging, Wege zu finden, wie mit der Agrarökologie der Systemwechsel in Landwirtschaft und Gesellschaft vollzogen werden kann. Aus den Diskussionsgruppen gingen verschiedene Forderungen hervor. An die Politik beispielsweise, dass eine Strategie zur nachhaltigen Ernährung der Schweiz erarbeitet werden müsse. Die Wirtschaft hingegen sollte eine Transparenz durch die gesamte Wertschöpfungskette bei Nahrungsmitteln schaffen. Der Bund sollte darum bemüht sein landwirtschaftliche Direktzahlungen noch stärker an ökologische Kriterien zu knüpfen, es brauche zudem neue Beratungsmethoden in der Landwirtschaft. Es braucht Ideenvermittler statt Produkteverkäufer, weil bei nachhaltigen Anbaumethoden viel Wissen nötig ist. Auch die Bildung ist gefordert, es braucht mehr Wertschätzung gegenüber der Ernährung mittels Sensibilisierung in der Schule. Und schliesslich die Forderung an die Gesellschaft: Weniger Konsum, dafür bewusster. Instrumente der Demokratie für den Wandel nutzen.
Die spannende und anregende Tagung hat, trotz schönstem Herbstwetter, mehr als 150 interessierte Personen an die Berner Fachhochschule für Land- und Forstwirtschaft gelockt. Möchten Sie am Thema dranbleiben, dann nutzen Sie #agroecologyworks in den sozialen Medien.
Hier finden Sie den Beitrag von SRF über den Welternährungstag.
Text: Marcel Anderegg, Bilder: Nathalie Oberson