Indien

«Man sieht die Veränderung der Menschen von blossem Auge»

31.10.2023

Sandrine Cottier ist verantwortlich für die Programmentwicklung bei Fastenaktion. Kürzlich hat sie Projekte in Indien besucht – und staunte, wie sichtbar das gestärkte Selbstbewusstsein der Menschen ist.  

Was war der Anlass deiner Reise nach Indien?

Wir wollten sehen, was die Partnerorganisationen dort besonders gut machen und daher auch für die Arbeit in anderen Ländern spannend sein könnte. Zu diesem Zweck waren auch der Koordinator und die Programmverantwortliche für Nepal dabei.

 

Und habt ihr etwas gefunden?

Ja, vieles! Zum Beispiel die Fehlerkultur. Die Partnerorganisationen in Indien kommen regelmässig zusammen, um zu diskutieren, was gut läuft und was nicht. Fehler werden dabei offen angesprochen, ohne dass sich der oder die Betroffene deswegen schämen müsste. Denn alle können daraus lernen; es ist ein Prozess, der die Menschen und die Projektarbeit weiterbringt.

 

Was hat dich während des Besuchs besonders beeindruckt?

Wie sehr man es den Menschen an ihrem Gesichtsausdruck und Verhalten ansieht, ob sie noch in Schuldknechtschaft leben oder sich davon bereits befreien konnten. Die einen sind in sich gekehrt, schauen einem nicht in die Augen, reden leise und eher ängstlich. Die anderen, die sich schon befreit haben, sind selbstbewusst, schauen einen an, sprechen laut und bestimmt. Man sieht die Veränderung der Menschen von blossem Auge, das ist eindrücklich.

«Die Menschen überwinden ihre Angst, weil sie merken, dass da plötzlich eine starke Gemeinschaft ist, in der man sich gegenseitig unterstützt.»

Diese Adivasi-Frauen aus der Region Andhra haben sich mit der Unterstützung von Fastenaktion aus der Schuldknechtschaft befreit.

Wie kommt es zu dieser Schuldknechtschaft?

Wir arbeiten in Indien vor allem mit Angehörigen der indigenen Adivasi, Nachfahren der Ureinwohner:innen, die traditionell benachteiligt sind. Viele von ihnen sind an einen Grossgrundbesitzer gebunden, bei dem sie Geld ausgeliehen haben – im Gegenzug müssen sie sieben Tage die Woche von morgens bis abends für ihn schuften, bis die Schulden abgearbeitet sind. Das sind sie jedoch nie. Denn dadurch fehlt ihnen die Zeit, um Geld für ihren täglichen Bedarf zu verdienen dafür müssen sie sich wieder neu verschulden. Die Projektarbeit besteht darin, sie zu unterstützen, den Weg aus diesem Teufelskreis zu finden, um ein Leben in Würde führen zu können. Dies machen wir unter anderem mittels Solidaritätsgruppen, die zu einer Stärkung des Selbstbewusstseins führen. Die Menschen überwinden ihre Angst, weil sie merken, dass da plötzlich eine starke Gemeinschaft ist, in der man sich gegenseitig unterstützt. Schliesslich wagen sie es, dem Grossgrundbesitzer die Stirn zu bieten, denn eigentlich steht das Gesetz offiziell auf ihrer Seite. 

 

Wie wirkt sich dein Besuch auf die Programmentwicklung aus?

Es gibt in Indien eine enge Zusammenarbeit mit Landwirtschaftsbehörden und staatlichen Universitäten für die bäuerliche Lebensmittelproduktion mit agrarökologischen Verfahren. Einerseits sind die Wissensvermittlung und der Wissensaustausch enorm fruchtbar, andererseits muss darauf geachtet werden, dass den Bäuerinnen und Bauern kein hochgezüchtetes Saatgut angedreht wird, für das es dann auch Pestizide braucht. Denn dies führt zurück in die Verschuldung und Abhängigkeit. Von diesen Erfahrungen über Vorteile und Risiken solcher Kooperationen können wir auch in anderen Landesprogrammen profitieren.

 

Wir lassen regelmässig Evaluationen durchführen. Wie wirken sie sich auf die Programme aus?

Viele Empfehlungen sind stark auf das jeweilige Land bezogen und lassen sich nur teilweise übertragen. Generell gilt: Je stärker der Evaluationsprozess die Menschen in den Projekten einbezieht, desto eher führt er zu hilfreichen Erkenntnissen und nützlichen Anpassungen. Denn im Vordergrund steht nicht die Beurteilung der Arbeit, sondern das Auslösen eines Reflektionsprozesses bei den Beteiligten

Erfahren Sie hier mehr über unsere Projekte in Indien.

Sandrine Cottier gemeinsam mit Koordinatorinnen unserer Partnerorganisationen in der Region Tamil Nadu.

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